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Aus dem Matthäusevangelium (10, 37 - 42)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln:

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig,

und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.

Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.

Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren;

wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf,

und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.

Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist,

wird den Lohn eines Propheten erhalten.

Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist,

wird den Lohn eines Gerechten erhalten.

Und wer einem von diesen Kleinen

auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist

- amen, ich sage euch:

Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.


Predigt zum Kilianisonntag

Unsere Frankenapostel lebten zu Beginn des Mittelalters, denn die Christianisierung Europas an sich bildet den Übergang von der Antike in ein neues Zeitalter. Allerdings ist in den Köpfen vieler Menschen das Mittelalter mit extremen Vorurteilen belegt: es sei finster und rückständig; die Antike war noch gebildet und philosophisch und hatte prächtige Bauwerke, das Mittelalter aber ist abergläubisch, hat jeden technischen Fortschritt vergessen, darunter auch alle Regeln der Hygiene, und es ist die böse Kirche, die Wissenschaft und Forschung verbietet und das Volk in Unwissenheit und Dummheit hält. Tatsächlich kommen die meisten dieser Vorurteile aus der Zeit des aufkommenden Nationalismus, wo man sich die reinen und urwüchsigen Germanen als Vorfahren ausdachte, die dann mit Feuer und Schwert von der verweichlichten, jüdischen Religion der Christen zwangsbekehrt wurden und die fortan daran gehindert wurden, weiter die deutsche Eiche anzubeten.

In Wirklichkeit war es ganz anders. Mit der Christianisierung kam die Bildung nach Mitteleuropa. Denn die Missionaren waren Mönche, Ordensleute. Menschen, die Lesen und Schreiben konnten, und die neben ihrer Muttersprache noch fliesend Latein sprachen. Dort, wo christliche Gemeinschaften entstanden, wurden Kontakte zu anderen Gemeinschaften geknüpft und es entstanden Netzwerke, die es vorher nicht gab. Daraufhin baten auch viele Fürsten darum, die Missionare sollten doch auch zu ihnen kommen, damit auch sie Teil dieser neuen Beziehungen wurden. Eine Missionierung mit Feuer und Schwert war überhaupt nicht notwendig. Überall wurden die Orden mit Ländereien beschenkt, damit sie Klöster gründen konnten, die dann Zentren von Bildung und Wissenschaft waren. Die Kirche hat den Fortschritt nicht blockiert, sie hat ihn erst ermöglicht und vorangetrieben.

Unsere Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan stehen am Beginn dieser Entwicklung, sie haben mit ihrer Missionsarbeit auch die Pionierarbeit geleistet.

Jetzt leben wir längst in einem völlig anderen Zeitalter. Es wirkt sogar wie eine Zeit, in der die Kirche gegen ihren Untergang kämpft. Und da müssen wir uns fragen: was brauchen die Menschen heute von uns. Wo wird die Botschaft von der Liebe Gottes heute noch gebraucht und erwartet? Wo müssen wir als Christen uns mehr wehren gegen gedankenloser Ausbeutung von Mensch und Natur und den Wert der Schöpfung Gottes wieder in den Vordergrund stellen? Wo ist unser Einsatz gefragt für Arme, Kranke, Behinderte und gebrechliche Menschen? Und welche kirchlichen Strukturen und Fehlentwicklungen hindern die Menschen daran, das Befreiende und Erlösende der christlichen Botschaft zu erfahren?

Das Mittelalter war nicht so finster wie die Vorurteile es behaupten. Aber wenn wirklich eine Zeit kommt, in der die christlichen Werte in der Gesellschaft vergessen sind, dann, glaube ich, wird es wirklich sehr düster, und dagegen müssen auch wir uns aufmachen und tätig werden. Amen.